Die neue Ära der personalisierten Hautpflege

Der indische Hautpflegemarkt boomt zwar, doch er läuft Gefahr, durch eine Flut von Produkten unübersichtlich zu werden. Kann Personalisierung diesem Chaos entgegenwirken?
Seren, Peelings, Öle, Salben und eine Vielzahl an lösungsorientierten Cremes und Mischungen – unsere Hautpflegeroutinen haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Traditionelle Marken in Indien sehen sich zunehmend dem Wettbewerb durch neue, einheimische Labels ausgesetzt. Besonders beliebt sind Unternehmen, die maßgeschneiderte Produkte für Haut und Haare herstellen – ein Trend, der seit der Pandemie stark gewachsen ist. Produkte wie Gesichtsseren, Feuchtigkeitscremes mit Hyaluronsäure, Vitamin-C-angereicherte Nachtcremes oder talgregulierende Gesichtsreiniger werden gezielt für spezifische Hauttypen und Bedürfnisse entwickelt. Die Kombination aus Künstlicher Intelligenz und dermatologischer Expertise ermöglicht individuelle Lösungen, die von der Behandlung von Akne bis zur Haarpflege reichen.
Wissenschaft und Technologie als Wachstumstreiber
Diese Symbiose aus Technologie und Wissenschaft treibt die Kategorie voran. Obwohl der Markt noch relativ klein ist, gewinnt er schnell an Bedeutung. Im Jahr 2020 sammelte das Unternehmen IncNut Digital, das die Marken SkinKraft und Vedix betreibt, in einer Finanzierungsrunde 4 Millionen US-Dollar ein – ein wichtiger Meilenstein für das bereits seit einem Jahrzehnt aktive Unternehmen.
Chaitanya Nallan, Mitgründer und CEO von SkinKraft, erläutert: „Der Hautpflegemarkt wächst schneller als andere Bereiche der Beauty-Branche. Die Pandemie hat das Einkaufsverhalten verändert und die Erwartungen an Marken neu definiert. Personalisierte Produkte sind ein Beispiel dafür, wie die Branche auf diese Nachfrage reagiert.“ Auf der Webseite von SkinKraft können Kunden einen Fragebogen zu Haut- oder Haartyp, Problembereichen und Lebensgewohnheiten ausfüllen, um ein individuelles Pflegeprogramm zu erhalten.
Auch Vedix setzt auf einen Online-Fragebogen, der zusätzlich das Dosha (körperliche Konstitution nach Ayurveda) ermittelt. Die Empfehlungen werden von Ayurveda-Ärzten und Experten überprüft. Jatin Gujrati, Geschäftsleiter von Vedix, erklärt: „Wir befinden uns aktuell in Version 1.0. Das langfristige Ziel ist eine Echtzeit-Personalisierung mit unbegrenzten Möglichkeiten.“ Aktuell können mehr als 70 individuelle Kombinationen bei Haut- und Haarpflege generiert werden.
Die Macht nativer Werbung
Wenn Sie heute nach personalisierter Hautpflege suchen, stoßen Sie vermutlich auf gesponserte Videos. Diese zielgerichtete Werbung basiert auf Daten wie Cookies und Ihrem Surfverhalten und funktioniert im Internet wie Mundpropaganda. Beauty-Influencer und Nutzer werden zu Markenbotschaftern, die unkomplizierte, reel-freundliche Produktempfehlungen geben. Auch der Kundenservice ist stark personalisiert: Über Nachrichten, Social Media und E-Mails sammeln Marken kontinuierlich Feedback und passen die Pflegepläne entsprechend an.
Die Verpackung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele Anbieter erlauben die Wahl von Farbe und Duft der Produkte sowie eine persönliche Beschriftung. Bei Bare Anatomy aus Gurugram etwa kann man zwischen verschiedenen Duftnoten wählen und den eigenen Namen auf das Produkt drucken lassen, das dann direkt nach Hause geliefert wird.
Die Zukunft des Marktes
Im Jahr 2021 sicherte sich die Muttergesellschaft von Bare Anatomy, Onesto Labs, 2,5 Millionen US-Dollar. Dieses Investment unterstreicht das Wachstumspotenzial im Direct-to-Consumer (D2C)-Bereich, der von intensivem Kundenkontakt und Influencer-Marketing profitiert. Laut einem Bericht von Avendus Capital aus 2020 steht die Schönheits- und Körperpflegeindustrie im Zentrum des aufstrebenden D2C-Marktes.
SkinKraft erzielt 95 % seines Umsatzes über die eigene Website – im Gegensatz zu anderen führenden Marken, die überwiegend über Marktplätze verkaufen. Die Hauptzielgruppe sind Kunden im Alter von 24 bis 45 Jahren aus Metropolen wie Mumbai, Delhi, Bengaluru, Hyderabad und weiteren Großstädten.
Auch kleinere Marken wie Arezou aus Lucknow, die ayurvedisch inspirierte Produkte mit Beratung per Video anbieten, profitieren vom Trend. Die Gründerin Ishita Saxena richtet sich besonders an die Altersgruppe von 40 bis 70 Jahren, die häufig von der Hautpflege vernachlässigt wird, aber ein großes Kaufpotenzial bietet, insbesondere in Städten der zweiten und dritten Reihe.
Wirksamkeit und Nutzererfahrungen
Obwohl der Markt von personalisierter Hautpflege wächst, bleibt die Frage, wie effektiv die Produkte wirklich sind. Auf Reddit diskutiert die Community „Indian Skincare Addicts“ häufig darüber, ob individuelle Produkte innerhalb kurzer Zeit wirklich Wirkung zeigen können. Adyasha Dash aus Mumbai berichtet, dass ihr personalisiertes Shampoo und Conditioner nicht den gewünschten Effekt hatten und sie zurück zu ihren herkömmlichen Produkten wechselte.
Anders ist die Erfahrung des Autors des Artikels, der seit sechs Monaten ein personalisiertes Haarpflegeprodukt nutzt. Positiv fällt auf, wie gut das Unternehmen auf Feedback reagiert: Nach jedem Kauf erfolgt eine Whatsapp-Nachricht, und wenn ein Produkt nicht passt, wird eine neue Rezeptur empfohlen. Die Möglichkeit, Duft, Aussehen und Beschriftung der Produkte individuell zu gestalten, ist ein weiterer Pluspunkt.
Obwohl es noch ein Spiel mit Höhen und Tiefen ist, wird personalisierte Hautpflege als Zukunft der Branche angesehen. Dies bestätigt auch der französische Kosmetikriese L’Oréal, der 2020 auf der CES das Gerät Perso vorstellte – ein AI-basiertes Beauty-Tech-Tool für die sofortige Anpassung von Hautpflege und Make-up. Für 2023 ist Colorsonic angekündigt, ein technisches Gerät zur individuellen Haarfärbung für zu Hause. Im Zeitalter des Metaverse scheint somit kaum noch etwas unmöglich.